Kündigungsfristen eines Versicherungsvertrages
Bei der Kündigung eines Versicherungsvertrages gibt es immer wieder Unsicherheiten, welche Fristen rechtlich gelten. Auch gibt es Unterschiede je nach Vertragsart und Versicherungssparte. Hier ein Überblick über geltendes Recht und über spezielle Kündigungsregeln.
Wer etwas über ordentliche Kündigungsrechte für die Vertragsparteien von Versicherungsverträgen erfahren will, findet vieles davon in §11 VVG. Er enthält auch versicherungsrechtliche Sondervorschriften zum Schutz des Versicherungsnehmers vor langen Vertragsbindungen. Nach Abs. 1 dürfen Verlängerungsklauseln bei Verträgen, die auf bestimmte Zeit geschlossen sind, eine Verlängerung von jeweils nicht mehr als einem Jahr vorsehen.
Verträge, die auf unbestimmte Zeit geschlossen sind, können von beiden Parteien zum Schluss der Versicherungsperiode gekündigt werden (Abs. 2). Ein Verzicht auf dieses Kündigungsrecht ist nur für die ersten zwei Jahre möglich. §11 Abs. 3 VVG regelt schließlich die Kündigungsfristen für alle Fälle der §§11 Abs. 1 und 2. Sie müssen für Versicherer und Versicherungsnehmer gleich lang sein und dürfen ein bis drei Monate betragen.
Eine weitere Regelung für Verträge, die auf bestimmte Zeit abgeschlossen sind, ist in Abs. 4 enthalten. Die Vorschrift räumt dem Versicherungsnehmer bei Verträgen, die für mehr als drei Jahre abgeschlossen sind, zum Ende des dritten Jahres oder jedes darauffolgenden Jahres ein Kündigungsrecht ein. Daraus ergibt sich faktisch eine Höchstbindungsfrist von drei Jahren für den Versicherungsnehmer.
Dem Versicherer steht frei, eigene Kündigungsrechte in seinen AVB vorzusehen.
Spezielle Kündigungsregeln
Für eine Reihe von Sachverhalten und in verschiedenen Versicherungssparten, insbesondere der Personenversicherung, gibt es spezielle Kündigungsregeln. So kann der Versicherungsnehmer nach §40 VVG kündigen, wenn der Versicherer eine Prämienerhöhung aufgrund einer Anpassungsklausel vornimmt.
Bei Verträgen über vorläufige Deckungen, die auf unbestimmte Zeit eingegangen sind, können beide Parteien gemäß §52 Abs.4 VVG fristlos kündigen. Die Kündigung wird zwei Wochen nach Zugang wirksam.
In der Lebensversicherung kann der Versicherungsnehmer Verträge mit laufender Prämienzahlung gemäß §168 VVG jederzeit zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen. Dem Versicherer steht grundsätzlich kein ordentliches Kündigungsrecht zu. Sofern er ausnahmsweise doch zur Kündigung berechtigt ist, modifiziert §166 VVG deren Rechtsfolgen in Form einer prämienfreien Versicherung. Diese Vorschrift gilt für Berufsunfähigkeitsversicherungsverträge entsprechend (§176 VVG).
Besonderheit bei Krankheitskostenversicherung
Eine Besonderheit gilt für die Krankheitskostenversicherung (§206 Abs.1 Satz 1 VVG), soweit durch sie eine Versicherungspflicht nach §193 Abs.3 Satz 1 VVG erfüllt werden soll. Dieser Kündigungsausschluss erfasst neben der ordentlichen auch die außerordentliche Kündigung, soweit sie wegen Prämienverzugs erfolgt. Eine Kündigung wegen sonstiger schwerer Vertragsverletzungen ist allerdings unter den Voraussetzungen des §314 BGB möglich.
Bei sonstigen Krankheitskosten, Krankentagegeld- und Pflegekrankenversicherung steht dem Versicherer gemäß §206 Abs.1 Satz2 VVG kein ordentliches Kündigungsrecht zu. Der Versicherungsnehmer kann eine Versicherung, mit der er eine Versicherungspflicht erfüllt, nur unter den Voraussetzungen des §205 Abs.6 VVG kündigen: Er muss einen anderweitigen Versicherungsschutz nachweisen.
Sach- u. Haftpflichtversicherung
In der Sachversicherung können beide Vertragsparteien schließlich nach Eintritt des Versicherungsfalls gemäß §92 VVG kündigen.
Bei Veräußerung der versicherten Sache steht sowohl dem Versicherer als auch dem Erwerber ein Kündigungsrecht zu, §96 VVG.
In der Haftpflichtversicherung besteht ebenfalls ein beiderseitiges Kündigungsrecht nach Eintritt des Versicherungsfalls, §111 VVG.
Sonderregelungen über Kündigungsrechte gelten darüber hinaus bei der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten, der Gefahrerhöhung und der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten.
Auch für den Insolvenzfall gelten Sonderregeln.
Bei Verzug einer Folgeprämie kann der Versicherer den Vertrag schließlich nach Maßgabe des §38 Abs.3 VVG kündigen.
Außerordentliche Kündigung
Versicherungsverträge können grundsätzlich auch aus wichtigem Grund gemäß §314 Abs.1 BGB fristlos gekündigt werden. Voraussetzung dafür ist stets, dass Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägungen beiderseitiger Interessen ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann. Eine solche außerordentliche Kündigung muss innerhalb einer angemessenen Frist ausgesprochen werden. Mehr als einen Monat wird man hier nicht akzeptieren können.
Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist ausgeschlossen, wenn gesetzliche oder vertragliche Lösungsrechte die vorzeitige Vertragsbeendigung ermöglichen und die berechtigte Partei es versäumt hat, hiervon rechtzeitig Gebrauch zu machen. Eine Kündigung nach §314 BGB setzt also voraus, dass das Gesetz für die in Rede stehende Konstellation keine Regelungen bereithält. Der Versicherer hat ein Recht zur außerordentlichen Kündigung vor allem dann, wenn der Versicherungsnehmer Leistungen aus dem Vertrag zu erschleichen versucht oder erschlichen hat. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn falsche Belege eingereicht werden.
Kündigung per email zulässig
Eine bestimmte Form ist für die Kündigungserklärung in §11 VVG nicht vorgesehen. Sofern daher nichts anderes geregelt ist, kann sie formlos, also mündlich oder in jeder anderen Form erfolgen. Häufig bestimmen Versicherungsbedingungen, dass Kündigungen schriftlich zu erfolgen haben. Dies ist zulässig, sofern dem nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen (z.B. §11 Abs.2 und 4 VVG).
Gibt es keine sonstigen Regelungen zur Schriftform, so ist grundsätzlich §126 BGB einschlägig. Da die Schriftform nicht gesetzlich gefordert, sondern allenfalls vertraglich vereinbart ist, wird sie auch durch Telefax, Computerfax oder E-Mail gewahrt (§127 Abs. 2 BGB). Die klauselmäßige Vereinbarung strengerer Formen wie die Übersendung durch eingeschriebenen Brief bleibt aber unzulässig (§309 Nr. 13 BGB).
Kündigungsfristen nach bestimmten Zeitpunkten
Die Kündigungsfrist kann voll ausgeschöpft werden, wobei für die Berechnung der Fristen wiederum die Vorschriften des BGB gelten (vgl. §186–193 BGB). Es kommt somit darauf an, ob für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein Zeitpunkt maßgebend ist (§187 Abs. 1 BGB). Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet.
Wann eine Frist endet, ist vor allem §188 BGB zu entnehmen. Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum bestimmt ist, endet im Fall des §187 Abs.1 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Im Fall des §187 Abs.2 BGB endet sie mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der dem Anfangstag der Frist entspricht.
Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist im letzten Monat der maßgebende Tag, zum Beispiel im Februar, so endet die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats. §192 BGB regelt, dass unter Anfang des Monats der erste, unter Mitte des Monats der fünfzehnte und unter Ende des Monats der letzte Tag des Monats zu verstehen ist.
Schließlich regelt §193 BGB die Bedeutung von Sonn- und Feiertagen bei der Fristenberechnung: Fällt der bestimmte Tag oder letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten Feiertag oder einen Samstag, so tritt an deren Stelle der nächste Werktag.
Stand 2019 – FB